Jugendparlament 2022
Plenarsitzung, Tagesordnung, Streit- und Diskussionskultur – all das durften wir, ausgewählte Schülerinnen und Schüler des 10. und 11. Jahrgangs des Friedrich-Schiller-Gymnasiums Calbe Mitte November im Landtag Sachsen – Anhalts selbst miterleben und gestalten.
Dies geschah im Rahmen des Projektes „Jugendparlament 2022“, welches vom Landtag Sachsen-Anhalt, wieder erstmalig seit 2018, organisiert wurde. Nachdem wir im Zuge des Sozialkundeunterrichts erfahren hatten, dass wir mit zwei anderen Schulen aus unserem Bundesland für das Event ausgewählt wurden, hieß es für uns 20 Schülerinnen und Schüler, sich zusammen zu setzen und darüber zu verständigen, welches Thema wir in den Landtag einbringen wollen, um somit unsere Interessen zu vertreten. Schnell fiel die Auswahl mit großer Mehrheit auf eine Änderung des Bewertungssystems der sogenannten „Talentfächer“. Deshalb schlugen wir vor, die Benotung der Fächer Musik, Sport und Kunst an allgemeinbildenden Schulen bis zur Klassenstufe 8 auszusetzen, um so die Förderung der jungen Schülerinnen und Schüler in den genannten Fächern ohne Notendruck in den Vordergrund zu stellen. Wir waren davon überzeugt, dass sich Schüler so aktiver kreativ ausleben und Talente besser entdeckt werden können. Mit diesem frisch gedruckten Antrag durften wir schon Mitte Oktober zu einem „Workshop“ in die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts reisen, um dort erstmalig einen direkten Einblick in die Abläufe des Landtages zu erhalten. Dort angekommen, wurden wir von netten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen empfangen. Der Tag gestaltete sich als Orientierung für das, was uns schlussendlich im November erwarten sollte, und gab uns somit einen guten Einblick in die Landtagsroutine.
Erstmal diskutierten wir über die Anträge der beiden anderen Schulen und verschafften uns somit einen groben Überblick.
Nach diesem Tag, der mit Eindrücken reichlich gefüllt war, sollte die Arbeit für uns Schülerinnen und Schüler allerdings erst richtig beginnen. Nun hieß es, sich in drei Gruppen, zu den jeweiligen Anträgen, aufzuteilen. So beschäftigte sich ein Drittel mit unserem Antrag über die Benotungsreform, ein weiteres Drittel setze sich mit dem Antrag der Euro Akademie Halle zur Reformierung des elternunabhängigen BAföG auseinander und die anderen Schülerinnen und Schüler nahmen den eingereichten Antrag des Gymnasiums aus Wettin zur früheren und spezialisierten Kurswahl in Angriff. Zu Hause angekommen, war es nun unsere Aufgabe über die nächsten 3 Wochen unsere Argumente und Bewertungen der Anträge herauszusuchen, zu verfeinern, zu beraten und letztendlich zu Papier zu bringen.
Nach über drei Wochen Warten war es dann endlich soweit und wir machten uns mit dem Zug auf den Weg nach Magdeburg. Aufgrund des „Workshops“ im Oktober lief dieser Vorgang routinierter ab. Unser zweitägiges Erlebnis sollte nun offiziell beginnen.
Am einem Sonntag gegen 15 Uhr trafen wir alle nach und nach in der Jugendherberge in Magdeburg ein und bezogen unsere Zimmer. Dabei kam ein gewisses Klassenfahrtgefühl auf, auch wenn wir wussten, dass wir nur für eine Übernachtung bleiben sollten. Anschließend machten wir uns um 16 Uhr auf den Weg in den Landtag und nahmen im Plenarsaal Platz, in welchem sonst das Parlament die Plenarsitzungen bestreitet. Dort wurden wir offiziell von der Vize-Landtagspräsidentin Anne-Marie Keding willkommen geheißen und in die Formalitäten eingeführt. Am Abend des ersten Tages wurden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugendparlaments zu einem „Parlamentarischen Abend“ eingeladen. Bei diesem bekamen wir Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, uns mit Berufspolitikerinnen und Berufspolitikern auszutauschen und heiß diskutierte Themen, die uns junge Menschen beschäftigen, aufzugreifen und zu thematisieren. Nach diesem interessanten Meinungsaustausch mit den „echten“ Politikern, hieß es für uns „Nachwuchs- Politiker“, den letzten Feinschliff in die Argumentationsketten bzw. vorbereiteten Reden zu bringen. Danach ließen wir den Abend gemeinsam ausklingen und gingen mit etwas Aufregung im Bauch, aber gut vorbereitet, ins Bett.
Nun war der finale Tag angebrochen und nach einem ordentlichen Frühstück machten wir uns mit den Schülerinnen und Schülern des Burg-Gymnasiums Wettin und der Euro Akademie aus Halle erneut auf den Weg zum Landtag. Dort angekommen, setzten wir uns in unsere Fraktionen und wurden von der Landtagsvizepräsidentin Anne-Marie Keding begrüßt, besprachen die Tagesordnung und stellten unsere Anträge kurz vor. Nach dieser kurzen Eröffnung hieß es „Bühne frei“ für unsere Meinungen, Vorschläge und Gedankengänge. So teilten wir uns nun in unsere vorher bestimmten Gruppen und diskutierten in den sogenannten Diskussionsforen die Antragsthemen mit den anderen Teilnehmenden aus. Dabei war der äußert freundliche und konstruktive Umgang untereinander auffällig. Bemerkenswert war ebenfalls, dass alle Beteiligten daran interessiert waren, den bestmöglichen Kompromiss für alle Seiten zu finden und die anderen mit ihren Argumenten zu überzeugen. Auch wenn es anfangs große Meinungsverschiedenheiten, vor allem bei den Anträgen zum neuen Benotungssystem der „Talentfächer“ und der frühzeitigen Kurswahl gab, formulierten alle Fraktionen nach Ende der Diskussion eine klare Stellungnahme. Nach einer Stärkung in der Kantine des Landtages kam es dann final zum Höhepunkt, auf welchen alle schon sehnsüchtig warteten. In der Plenarsitzung hieß es dann Stellung zu beziehen, Reden zu halten, Nachfragen zu stellen und letztendlich über die Anträge abzustimmen. Begleitet wurde die Sitzung von Abgeordneten aller sechs Fraktionen des Landtages, welche nach jedem Antrag ebenfalls Stellung bezogen und ihre Sichtweise klar machten. Dabei fiel uns oftmals der Meinungsunterschied der Generationen auf, was wir zum Anlass nahmen, akribisch nachzufragen. Dabei kam es dann teilweise zu hitzigen Debatten. Am Ende fand unser Antrag zur Benotungsreform nur knapp keine Mehrheit und wurde somit abgelehnt.
Auch wenn unser Antrag nicht den Zuspruch der Mehrheit fand, gingen wir nicht als Verlierer aus dem Landtagsgebäude. Alle Anwesenden waren in diesen zwei Tagen Teil des Demokratieprozesses und haben viele neue und spannende Erfahrungen mit nach Hause nehmen dürfen. So lernten wir neue Menschen kennen, tauschten uns über wichtige Themen in der Bildungspolitik aus und jeder wuchs so letztendlich ein Stück über sich hinaus.
An dieser Stelle wollen wir uns bei unserer Sozialkundelehrerin Frau Klemm und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtages Sachsen-Anhalts bedanken, welche uns in diesem spannenden Prozess tatkräftig beistanden.
Video des Landtags von Sachsen-Anhalt zum Jugendparlament 2022
Jugendliche bringen sich in die Politik ein
Sechzig Schülerinnen und Schüler aus Wettin, Halle und Calbe haben sich in diesem Jahr am Jugendparlament beteiligt und im Plenarsaal des Landtags von Sachsen-Anhalt über drei selbsterstellte Anträge beraten und abgestimmt. „Jede Entscheidung, die man nicht trifft, ist auch eine Entscheidung, die man für die Zukunft trifft“, sagte Landtagsvizepräsidentin Anne-Marie Keding zu Beginn der Sitzung des Jugendparlaments 2022 im Landtag von Sachsen-Anhalt. Damit gab sie den Jugendlichen eine Maxime für deren Sitzungsarbeit mit: Die eigene Meinung vertreten, andere Meinungen anhören und dann abwägen, inwiefern man sich inhaltlich annähern könnte.
Zunächst brachten die Jugendfraktionen ihre Anträge ein. Die Jugendparlamentsfraktion des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Calbe schlug vor, die Bewertung von „Talentfächern“ an allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt bis Klassenstufe 8 benotungsfrei zu bewerten. So sollen jüngere Schülerinnen und Schüler laut Antrag ohne Druck die Möglichkeit haben, sich aktiv und kreativ auszuleben, um eigene Talente zu entdecken.
Die Jugendparlamentsfraktion der Euro-Akademie Halle setzte sich für elternunabhängiges BAföG für alle Auszubildenden und Studierenden ein, um die Chancengleichheit junger Menschen zu erhöhen und ihre Eigenständigkeit zu fördern.
Für eine frühere und spezialisiertere Kurswahl auf dem Gymnasium argumentierte die Jugendparlamentsfraktion des Burg-Gymnasiums Wettin. Ziel der Änderung sollte es sein, Schülerinnen und Schüler besser auf ihr zukünftiges Berufs- oder Studienleben vorzubereiten und eine präzisere Förderung der persönlichen Präferenzen und Kompetenzen zu ermöglichen.
Wie es mit den Anträgen weiterging
Die drei Anträge wurden nach der Einbringung in „die Ausschüsse“ überwiesen, im Fall des Jugendparlaments also in Diskussionsforen, in denen sich jeweils ein Teil Klassen mit den Details der Vorhaben auseinandersetzte. Würde es gelingen, die anderen Fraktionen vom eigenen Antrag zu überzeugen oder herrschte vielleicht sogar gleich von Beginn an Konsens? Manchmal ist es nicht so einfach, die eigene gegen andere Meinungen zu behaupten. Die Ausschussarbeit sollte jedoch zeigen, dass es sich durchaus lohnen kann, sich für seine Ziele zu engagieren und im Spiel von Rede und Gegenrede andere von der Richtigkeit der eigenen Argumente zu überzeugen.
Die Schülerinnen und Schüler kehrten sodann aus den Ausschüssen in die Fraktionen zurück. Hier wurde abschließend über die Eindrücke der jeweils anderen Anträge diskutiert. War es den anderen gelungen, sie vom Antrag zu überzeugen oder müsste in der abschließenden Beratung und Abstimmung im Plenum mit einer Enthaltung oder gar einer ablehnenden Haltung gerechnet werden?
Ergebnisse aus der Abstimmung
Die Nichtbenotung der Talentfächer bis zur achten Klasse könne dazu führen, den Leistungsdruck zu nehmen, war die einhellige Meinung zum Antrag der Calbenser. Wettin kritisierte aber, dass es wenig Sinn ergebe, die Benotung ausgerechnet in den relevanten Schuljahren gelten zu lassen. Auch die Abgeordneten brachten dem Antrag durchaus Charme entgegen, fanden aber auch kritische Anmerkungen. Jedes Fach biete doch Möglichkeiten, gefördert und gefordert zu werden. Am Ende der Debatte fand der Antrag allerdings keine Mehrheit und wurde abgelehnt.
Beim Thema BAföG für alle sei es zu einem schnellen Grundkonsens gekommen, so die Einbringer aus Halle. Im Ausschuss hatte man sich auf verschiedene Arten der Finanzierung verständigt: durch Umgehung der Schuldenbremse oder anhand der Kostenübernahme durch große Konzerne. So könnten spezielle Leistungsnachweise eingeführt werden, um die Förderung weiter zu erhalten. Auch die BAföG-Rückzahlung soll beibehalten und an das spätere Gehalt geknüpft werden. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Im Vorfeld der Abstimmung zum Antrag der früheren Kurswahl waren noch Änderungen vorgenommen worden. Die Kurswahl wurde noch etwas weiter vorgezogen, auf das Ende der achten Klasse. So sollen Schüler besser auf das spätere Berufsleben oder Studium vorbereitet werden. Zwei der Fächer Musik, Kunst und Sport würden abwählbar; Deutsch und Mathematik wären allerdings Pflichtfächer. Die ergänzenden Fächer wären frei auswählbar, darunter auch Geschichte, Physik und Biologie. Die Fraktion aus Halle lehnte den Antrag ab, weil für einen vielfältigen Bildungsweg einfach wichtige Fächer fehlen könnten. Der Antrag wurde am Ende der Debatte dann auch mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Weiterleitung an die Landtagsfraktionen
Die Ergebnisse des Jugendparlaments werden den sechs echten Fraktionen im Landtag zugeleitet. Ziel ist hier, auf die Belange junger Menschen im Land aufmerksam zu machen und auch in der Landespolitik Themen zu beraten, die direkt aus deren Mitte kommen. Inwieweit diese in die Überlegungen der Fraktionen einfließen und eventuell einmal tatsächlich Thema im Parlament werden, bleibt indes abzuwarten.
Quelle: www.landtag.sachsen-anhalt.de